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Vom Fahrer zum Passagier

BMW arbeitet an hochautomatisierten Fahrzeugen (Grafik: BMW Group)

Es herrscht Einigkeit unter den großen Herstellern: Das Auto und seine Technologien werden sich in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Die Branche setzt auf autonomes Fahren. Ob in Asien, Amerika oder Europa, überall tüfteln Ingenieure der großen Konzerne an der Technologie der Zukunft. Auch bei BMW steht das Projekt autonomes Fahren weit oben auf der Agenda. Bereits im Jahr 2000 begannen die Bayern in diesem Segment zu forschen. Seit 2011 testen die Bayern Prototypen auf der A9 von München in Richtung Nürnberg, die sich ohne Zutun des Fahrers fortbewegen. Und der Konzern investiert weiter massiv in die Technik.

Mittlerweile hat BMW zusammen mit seinen Partnern Fahrassistenzsysteme entwickelt, die es dem Fahrer erlauben, die Hände vom Lenkrad zu nehmen. Allerdings muss er sich bereithalten, um jederzeit selbst wieder das Steuer zu übernehmen. Mit dieser Technologie befindet sich BMW auf Level 2 des von der Branche definierten fünfstufigen Ausbaus zur Automatisierung des Fahrens. Einer der Partner, mit denen die Münchner kooperieren, ist der israelische Kameraspezialist Mobileye – das der US-Chiphersteller Intel für die rekordverdächtige Summe von 15 Milliarden Dollar übernehmen will, wie erst vergangene Woche bekannt wurde.

BMW iNext soll 2021 auf den Markt kommen

Der nächste Schritt für den süddeutschen Hersteller ist der Übergang zu hochautomatisierten Fahren (Level 3). Dazu soll das Auto in einem gleichgerichteten, abgegrenzten Straßenverkehr eigenständig agieren. Der Fahrer muss das Steuer nach wenigen Sekunden wieder übernehmen können. „2021 werden wir mit dem BMW iNext hochautomatisiertes Fahren auf Autobahnen anbieten“ sagt Manfred Poschenrieder, Pressesprecher Innovation und Technik bei BMW. Jedoch sind bis dahin noch technologische Sprünge von Nöten, damit das Auto beispielsweise sein Umfeld besser wahrnehmen kann.

„Neben der Technik müssen weitere Rahmenbedingungen geschaffen werden wie angepasste Gesetze, ein Telekommunikationsstandard 5G und auch Infrastrukturen in Städten, die hochautomatisiertes oder gar autonomes Fahren ermöglichen“, gibt Poschenrieder zu bedenken. Die größte Hürde für alle Autobauer wird derweil der Übergang von Level 3 zu Level 4 sein, also von einem wachen, jederzeit eingriffsbereiten Fahrer zu einem schlafenden Passagier. Schlussendlich sollen im Fahrzeug Lenkrad und Pedale nicht mehr nötig sein und der Fahrer zum Passagier werden (Level 5).

Neues Forschungszentrum in Unterschleißheim

An den dafür notwendigen Technologien arbeiten bei BMW derzeit rund 600 Mitarbeiter. Ab Mitte des Jahres bündelt der Autobauer in einem neuen Campus in Unterschleißheim bei München alle Kompetenzen zur Entwicklung des hochautomatisierten Fahrens. Von Softwareentwickler bis zum Testpiloten werden am Standort nach der Fertigstellung mehr als 2000 Menschen ihrer Arbeit nachgehen.

Einen tiefen Einblick in die bisherige Arbeit zum autonomen Fahren des bayerischen Autobauers und die angestrebten Entwicklungen in den kommenden Jahren gibt Dr. Reinhard Stolle , Vice President im Bereich Künstliche Intelligenz und Machine Learning von BMW, auf dem Innovationsforum des deutschen Innovationspreises am 31. März in München. Das Thema Sicherheit wird dabei sicher auch zur Sprache kommen.

Wer trägt in Zukunft die Verantwortung?

Denn das autonome Fahren stellt die Branche nicht nur vor enorme technische Herausforderungen, sondern auch vor ethische: Soll das Fahrzeug im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden, indem es spielenden Kindern ausweicht und dafür das Leben der Insassen gefährdet? Auch darüber machen sich Fachleute bei BMW Gedanken. Die Erfahrungen aus der Unfallforschungen zeigen laut dem Konzern aber, dass solche Szenarien extrem selten sind. Außerdem bleibt der Fahrer in den nächsten Jahren weiterhin verantwortlich für das Auto, die Gesetzeslage lässt in den meisten Ländern eine Abgabe der Verantwortung an das Fahrzeug gar nicht zu. Außerdem sei die Technik noch lange nicht so weit, erklärt Poschenrieder.

Einen wichtigen Aspekt zeigen die Unfallstatistiken aber auch: Die meisten Unfälle passieren durch unangemessenes Tempo. Die Autos der Zukunft würden kritische Situationen frühzeitig erkennen und schon im Vorfeld die Geschwindigkeit reduzieren. Die Vision eines Verkehrs ohne tödliche Unfälle – auch sie könnte dann keine Fiktion mehr sein.