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Goal Control: Ein deutsches Startup gewinnt bei der WM

Die Uhr zeigt dem Schiedsrichter "Tor" oder "Kein Tor" / Quelle: Goal Control

Beim zweiten Tor der französischen Nationalmannschaft gegen das Team aus Honduras sorgte die Torlinientechnik Goal Control am gestrigen Spieltag für Klarheit. Es war das erste Mal im Zuge der Weltmeisterschaft in Brasilien, dass der Einsatz der teuren Technik bei der Klärung einer strittigen Szene helfen konnte. Allein in Brasilien wurde die Torlinientechnologie 2400 Mal getestet – stets lag Goal Control richtig. Auch dieses Mal funktionierte das System einwandfrei.

Das Goal Control System basiert auf 14 Kameras, die um das Spielfeld herum angeordnet und am Stadiondach angebracht sind. Pro Tor sind 7 Kameras ausgerichtet. Die Kameras sind mit einem hoch leistungsfähigen Rechner verbunden, welcher die Bewegung aller Objekte auf dem Spielfeld verfolgt und die störenden Faktoren wie Spieler, Schiedsrichter und alle anderen unwichtigen Faktoren ausblendet. Acht Gigabyte Daten kommen so in der Sekunde zusammen.

Die Kameras liefern ihre Daten in unglaublicher Geschwindigkeit. So schnell, dass das Spiel nicht unterbrochen werden muss. In weniger als einer Sekunde wird ein verschlüsseltes optisches und akustisches Signal an die Empfängeruhr des Schiedsrichters gesendet. Alle Kamerabilder von Torereignissen werden aufgezeichnet, um die Entscheidung des Systems zu validieren und eine spätere Verwendung zu ermöglichen.

Vertrauen ist gut, Goal Control ist besser

Dirk Broichhausen, Geschäftsführer von Goal Control, hat mit seiner in Würselen bei Aachen beheimateten Firma alle zwölf Stadien mit insgesamt 168 Kameras ausgestattet, die sämtliche Zweifel beseitigen sollen. Vertrauen ist gut, „Goal Control“ ist besser – das ist jetzt das Motto der FIFA. Die Technik habe beim Confed-Cup 2013 und bei der Klub-WM stets richtig gelegen, sagt FIFA-Sprecher Johannes Holzmüller. „Wir können dem System deshalb absolut vertrauen.“

In Zeiten des Internet der Dinge wäre aber noch weitaus mehr möglich. „Das komplette Spiel ließe sich in Bits und Bytes zerlegen, jede Abseitsstellung wäre unwiderlegbar festzustellen, jedes Seitenlinien-Aus, jeder Laufweg der 22 Akteure“, schreibt die Aachener Zeitung. Dirk Broichhausen von Goal Control beteuert, dass System greife nicht ins Spielgeschehen ein. FIFA-Sprecher Holzmüller sagt, die Technik solle "die Schiedsrichter schützen, das ist die Idee dahinter".

Und doch: Geht die Entwicklung den gewohnten Gang ist auch der nächste Schritt denkbar. „Die Wiederholung direkt auf dem Videowürfel im Stadion, die Bereitstellung von Analysesequenzen für die TV-Stationen bei laufender Übertragung, die Spieloptimierung für die Mannschaften in der Nachbearbeitung in einem Fußball-Zeitalter, in dem es auf Sekundenbruchteile ankommt. Vielleicht lassen sich sogar in nicht allzu ferner Zukunft Partien an der Playstation mit dem Originalmaterial nachspielen“, beschreibt die Aachener Zeitung die Zukunftsvision weiter.

Die Technik ist "nicht manipulierbar"

Die Technik ist atemberaubend. Während das menschliche Auge etwa 24 Bilder pro Sekunde verarbeitet, schaffen es die sieben Kameras pro Torraum auf gut 500 Bilder pro Sekunde. Die Genauigkeit der Torerkennung liegt mit 5 Millimetern noch unter den von der FIFA vorgegebenen 15 Millimetern Abweichung. Auf der Uhr, die in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut entwickelt wurde, leuchtet im Fall eines Tors das englische Wort „Goal“ auf, zudem kommt es zu einer Vibration am Handgelenk.

Das Funksignal zwischen Rechner und Uhr ist von Hackern nicht zu knacken, weil es über eine eigene Frequenz gesendet und nicht über das bestehende kabellose Computer-Netzwerk im Stadion verbreitet wird. Sollte der Ball im entscheidenden Moment verdeckt sein, reichen dem System Fragmente in einer Größe von zehn bis fünfzehn Prozent des Balles aus, um trotzdem eine schnelle Entscheidung zu treffen. Die Software errechnet dann über Algorithmen die wahrscheinliche Position. „Das ist wie beim Auto-Navigationssystem im Tunnel“, sagt Dirk Broichhausen.

„Die Technik von Goal Control kommt eigentlich aus der Industrie, wo über Bildverarbeitungstechnologie Fehler in den Produktionsprozessen aufgespürt werden – zum Beispiel bei diffizilen Verarbeitungslinien in der Automobilbranche“, schreibt die FAZ. Ganz billig ist die Technik jedoch nicht. 500.000 Euro auf drei Jahre kostet ein einzelnes System. Für das Startup aus Würselen ist der Erfolg jedoch bereits jetzt spürbar. Von fünf auf 40 Mitarbeiter sei die Firma schon gewachsen.

Schiedrichter haben weiterhin das letzte Wort

Die FIFA geht bisher mit dem System ihren eigenen Weg. Die UEFA entschied sich bei ihren großen Wettbewerben Champions League, Europa League und Europameisterschaft gegen die technische Hilfe und für zwei weitere Schiedsrichterassistenten. Auch die Bundesliga sprach sich zuletzt gegen die Torlinientechnik aus. Damit ist die WM neben der englischen Premier League erst der zweite große Fußball-Wettbewerb, in dem das System zum Einsatz kommt. Allerdings verwendet die Premier League mit dem Hawk Eye eine andere Technik als die FIFA.

Bei allen anderen Entscheidungen sind Schiedsrichter weiterhin auf sich gestellt – denn die müssen ohne Hilfsmittel gefällt werden. Ob es dabei bleibt ist offen. Den Fußball verändert die Technologie schon jetzt massiv. Einen weiteren Geoff Hurst, der Schütze des legendären Wembley-Tores von 1966, wird es wohl nicht geben. Eine fehlerfreie Entscheidung hätte „auch 48 Jahre voller leidenschaftlicher Diskussionen“ hinfällig gemacht so die Aachener Zeitung. Wie schade.