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Diese Großunternehmen sind für den Deutschen Innovationspreis nominiert

Schuh nach Maß: Adidas digitalisiert die Fertigung Quelle: PR

Vom Elektrowundpflaster bis zum Aufzug ohne Seile: Für den Deutschen Innovationspreis wurden zahlreiche hochkarätige Produktneuheiten eingereicht. Die WirtschaftsWoche vergibt den Preis zusammen mit Accenture, Daimler und EnBW dieses Jahr zum neunten Mal. Hier stellen wir die Nominierten in der Kategorie Großunternehmen 2018 vor.

Adidas – der ganz persönliche Turnschuh

Laserstrahlen formen in 3-D-Druckern die Hightechsohlen der individualisierten Turnschuhe – aus flüssigem Harz. Die Anweisungen stecken in Algorithmen. Sie wissen nicht nur, wie schwer die Person ist, die später darin laufen wird, sondern auch, wo sie ihre Joggingrunden absolviert. Für den Einsatz in London etwa, wo es oft regnet, stricken die Roboter einen dunkleren Oberschuh, damit der Schuh nicht so schnell schmutzig wirkt.

Die Speedfactory, die der Sportartikler Adidas 2017 in Ansbach eröffnet hat, ist ein Musterbeispiel für die vernetzte Produktion – und dafür, wie ein Konzern sich durch Innovationen einen Vorsprung vor der Konkurrenz verschafft. Mit Turnschuhen erwirtschaftet der Konzern etwa die Hälfte seines Umsatzes von jährlich 20 Milliarden Euro. Also muss er seinen Kunden etwas Besonderes bieten. Der wichtigste Rohstoff dafür sind die Daten der Kunden: Damit kann Adidas die Turnschuhe an spezielle Anforderungen anpassen und zügig auf Wünsche reagieren. Die Zeit von der ersten Entwurfsidee bis zu dem Moment, in dem das maßgeschneiderte Modell nach London geliefert wird, hat Adidas dadurch von 18 auf 3 Monate verkürzt. Und schließlich stärkt die Speedfactory die Hoffnung, ein Geschäft in Deutschland zu halten, das viele bereits für immer nach Asien abgewandert glaubten. 160 Mitarbeiter beschäftigt der Konzern in seiner durchdigitalisierten Fabrik.
Thyssenkrupp – Transrapid für die Höhe
Wie ein überdimensionierter Schlagbohrer sieht der Turm aus, der am Rande des idyllischen Rottweil steht. Hier testet der Industriekonzern Thyssenkrupp seit Juni vergangenen Jahres den weltweit ersten Aufzug, der ohne Seile funktioniert. Stattdessen sausen elektromagnetische Kabinen durch den Schacht – ähnlich wie Schwebebahnen. Anders als in seilbetriebenen Aufzügen, in denen eine oder zwei Kabinen pro Schacht unterwegs sind, schickt Thyssenkrupps Multi mehrere Kabinen gleichzeitig durch den Schacht. Der Essener Industriekonzern greift dafür auf die Erfahrungen aus dem gefloppten Transrapid-Projekt zurück: Die gemeinsam mit Siemens entwickelte Magnetbahn ist in Deutschland gescheitert – und ist seit 2002 nur in Shanghai auf einer Flughafenstrecke zu erleben. Auch in der Ebene lässt sich der Multi betreiben, etwa in Brücken oder Tunneln. Er verbraucht im Vergleich zu herkömmlichen Aufzügen 60 Prozent weniger Energie. Und benötigt dafür wenig Platz. Für die Architektur von Städten ergeben sich damit ganz neue Möglichkeiten. Aus dem Test- in den Realbetrieb gehen soll der Multi 2019 im East Side Tower, der derzeit in Berlin entsteht.
Evonik – Dünne Scheibe mit dickem Schutz
Am Thema Dämmen scheiden sich die Geister. Dringend nötig, um den Energieverlust von Wohngebäuden und Büros zu bremsen, und damit ein bautechnisches Gebot in Zeiten des Klimawandels, meinen die einen. Hässlich, zu teuer und im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich, sagen andere. Doch ihnen gehen seit Kurzem die Argumente aus. Der Essener Spezialchemiekonzern Evonik hat ein Produkt entwickelt, das genauso gut dämmt wie das beliebte Styropor, aber sehr viel schwerer entflammbar ist. Wobei die Dämmplatte namens Calostat nur rund halb so dick ist wie eine Styroporplatte bei gleich guter Isolation.
Das Geheimnis: eine spezielle Form von Siliziumdioxid (SiO2). Aus diesem Stoff besteht zum Beispiel Sand. „Versuchen Sie mal, Sand anzuzünden“, sagt Frank Gmach vom Thermal Insulation Team bei Evonik, einer Abteilung, die sich mit Materialien für die Wärmedämmung beschäftigt. Andererseits saugt sich Sand voll Wasser. Und wo Wasser ist, kühlen Gebäude aus und schimmeln schnell. Also mussten die Evonik-Entwickler das Material wasserabweisend machen. In ein Dämmsystem eingebracht, spielt Calostat als schlankes und brandsicheres Dämmmaterial überall dort seine Stärken aus, wo wenig Platz auf große Temperaturunterschiede trifft. Es wird bei Neubauten und Altbausanierungen eingesetzt, wenn man dicke Wände und Fensterlaibungen vermeiden will, aber auch im Schiffbau oder rund um Heißwasserbehälter. Das Patent für Calostat hält Evonik seit 2012; die Entwicklung zur Marktreife dauerte nur fünf Jahre. Es sei eine sehr „zielgerichtete Innovation“, sagt Gmach, nichts, was durch Zufall entdeckt wurde, wie Penicillin oder die Mikrowelle: „Wir wussten um die gute Dämmeigenschaft und Feuerfestigkeit und arbeiteten gezielt daran, das Material in eine marktfähige Form zu bringen.“