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Bewerbung bei einem Roboter

Unternehmen kämpfen um die besten Mitarbeiter. Gerade das Auswahlverfahren ist oft noch aufwendig und umständlich. Das ändert sich dank einiger Start-ups gerade.

Es ist der immer selbe, quälende Prozess, den die Bewerber durchlaufen: Online nach einer geeigneten Stelle suchen, die Anforderungen studieren, ein Anschreiben aufsetzen, den Lebenslauf aktualisieren und alles verschicken. Im besten Fall geht mittlerweile alles Online, im schlimmsten Fall verlangen die Unternehmen tatsächlich noch eine postalische Bewerbung. In einer Arbeitswelt, in der Fachkräfte händeringend gesucht werden, wirkt das anachronistisch. Das haben auch einige Unternehmen, vor allen Dingen aber Start-ups erkannt. Sie wollen den Prozess deshalb vereinfachen und effizienter machen.

Eines der Start-ups, die sich anschicken, es dem Bewerber einfacher zu machen, ist das Start-up Talkpush, das unter anderem in Berlin, Hongkong und San Francisco sitzt. Sich selbst versteht das 2014 gegründete Unternehmen als “Whatsapp der Recruiter”. Und verspricht, dass sich potenzielle Bewerber innerhalb weniger Minuten anmelden können. Sie durchlaufen dann ein Screening und können sich theoretisch über eine Chatfunktion mit dem künftigen Arbeitgeber austauschen. Innerhalb kurzer Zeit bekommen die Bewerber dann Rückmeldung, ob sie in die engere Auswahl kommen oder nicht. Der Prozess des Wartens und die Unsicherheit “Kriege ich den Job? Kriege ich den Job nicht?”, falle so weg, erklärt CEO Max Armbruster. Während des Prozesses arbeitet die Firma zudem mit Chatbots, etwa bei der Begrüßung, bei Fragen nach der eigenen Qualifikation oder bei Fragen rund um die Firma und das Bewerbungsgespräch.

Zielgruppe, so sagt Max Armbruster, seien definitiv jüngere Bewerber„Vor allem Millennials fühlen sich angesprochen, da wir das Einstellungsverfahren schneller machen”, sagt Armbruster. Gerade in Branchen, die jeden Tag oder Woche viele neue Mitarbeiter einstellen müssen, sei die Technik zudem zusätzlich interessant. Für sehr spezielle Wünsche oder die Suche nach Führungskräften seien Chatbots hingegen noch nicht klug genug, glaubt Armbruster.

In den USA gehen Unternehmen und Start-ups gar noch einen Schritt weiter und lassen den gesamten Prozess von einem Computer abbilden. Wie das aussehen kann, zeigt etwa HireVue. Online können sich Bewerber anmelden und durchlaufen dann ein etwa viertelstündiges Skype-Interview. Doch anstatt mit einem Menschen sprechen sie mit einem Algorithmus, der vorher aufgezeichnete Fragen stellt.

Während man antwortet, zeichnet der Computer auf, wie oft man blinzelt, das Gesicht oder die Hände bewegt, welche Worte man wählt und speichert all das ab. Ist das Interview vorbei, analysiert ein Algorithmus das Video und vergleicht es mit den anderen Bewerbern und einer Testgruppe. Die Testgruppe besteht aus den besten Mitarbeitern in einem Unternehmen und soll als Referenz für die Neuen dienen. Am Ende errechnet der Algorithmus auf Basis dieser Informationen einen Score, den der Personalchef nur noch vergleichen muss und auswählen kann, wen er einstellen möchte. Ob diese Art von Auswahlprozess die Diversität im Unternehmen fördert, was gewöhnlich als erstrebenswert gilt, bleibt abzuwarten.

Dass bedeutet allerdings nicht, dass der Computer bald den Recruiter ersetzt. Max Armbruster von Talkpush etwa ist überzeugt, dass der menschliche Kontakt bei einem Einstellungsgespräch immer wichtig bleiben wird. Für ihn ist klar: “Niemand möchte von einem Roboter eingestellt werden.”